Beiträge von M. le muet

    Für mich liegen Welten zwischen dem Englischen aus der Gegend von London (nicht Cockney) und dem Australischen.
    Ich habe ganz große Schwierigkeiten, Australier, sowie Amerikaner aus Texas oder Arizona zu verstehen.
    (Ähnlich ist Bayrisch oder Alemannisch für viele, die Deutsch als Fremdsprache sprechen ziemlich schwierig).
    Aber ich habe jetzt gesehen, dass sowieso eine Simultanübersetzung angeboten werden soll.

    Ich war noch nicht auf so einer Tagung (überlege aber, nach Zürich zu kommen).
    Ich weiß nicht, ob du seine Videos auf autismhangout kennst - ich finde er kann die Dinge wunderbar erklären und er spricht ein fabelhaftes Englisch. (Er lehrt in Australien. Der australische Akzent ist für mich sehr schwer zu verstehen. Aber Tony Attwood spricht Englisch mit englischem Akzent).

    Guten Tag,


    in jüngster Zeit sind Asperger-Autisten in der Presse immer wieder in ein Licht gerückt worden, das sie zu gefährlichen und unheimlichen Gestalten macht.
    Es war immer wieder die Rede davon, dass sie gefühlskalt, unempathisch, unberechenbar und potenziell lebensgefährlich für ihre Umwelt sind, weil sie zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen neigen, die typischerweise in Amokläufen münden.


    Ich habe in dieser Sache Professor Dr. Dr. Vogeley angeschrieben, Psychiatrie-Professor an der Uni-Klinik Köln, der als der führende Asperger-Experte in Deutschland gilt und ihn gebeten mir Hinweise zu geben, wo in der wissenschaftlichen Literatur der Zusammenhang zwischen Asperger-Autismus und Gewalt thematisiert wird. Er schreibt mir, dass er weltweit nur sechs Studien gefunden hat, die sich dazu äußern und dass in keiner dieser Studien ein signifikanter Zusammenhang zwischen Asperger-Autismus und Gewalt (violence) gefunden wurde.


    Mit anderen Worten:
    Die durch die Presse geschürten Befürchtungen, Asperger-Autisten seien gefährlich, entbehren jeder Grundlage.
    Wahrscheinlich wurde hier in einer Mischung aus Unkenntnis, Faszination für das Fremde und dem Druck, Auflage zu produzieren (bzw. Klicks zu generieren) ein Bild erschaffen, das diffuse Ängste bedienen soll.
    Jeder Nicht-Autist kann also beruhigt sein: Sollte Ihr Nachbar ein Autist sein, so ist er merkwürdig aber vollkommen harmlos, und die Medien sind in dieser Sache einem Hoax aufgesessen.


    Gruß


    M. le muet

    @ sunny und andere


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    Schon als Kind habe ich mich als Wissenschaftler bezeichnet und gefühlt. Vor meinen bohrenden Fragen "warum?" war nichts sicher. Später fand ich in einer Fernsehserie jemanden, der mir in dieser Hinsicht ähnlich war. Er war Wissenschaftsoffizier auf der USS Enterprise, hatte spitze Ohren und ein Verständnis von Logik, das ich manchmal nicht nachvollziehen konnte. Auch heute fühle ich mich im Bereich der Wissenschaft am wohlsten. Ich lese kaum was anderes als wissenschaftliche Literatur und fast alle Fragestellungen, die mich beschäftigen, sind wissenschaftlicher oder zumindest philosophischer Natur.


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    Jeder Wissenschaftler wird euch bestätigen, dass das Wissen von heute der Irrtum von morgen ist. Jede wissenschaftliche Erkenntnis ist nur so lange gültig, bis sie widerlegt ist. Jede wissenschaftliche Erkenntnis ist ein Werkzeug, mit dem wir nur so lange arbeiten, bis wir ein besseres haben. Was wir heute für klug halten, wird uns morgen schon peinlich sein, weil es so dämlich ist. Das war in der Wissenschaft noch nie anders.


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    Ihr dürft "finden" und "glauben" und "meinen", was ihr wollt. Zum einen ist es euer gutes Recht. Zum zweiten werdet ihr gute Gründe dafür haben.
    Im Bereich der Wissenschaft zählt für mich nur das Argument. (Argument definiert hier als "Grund, warum eine Aussage wahr sein soll".)
    Wenn ich wissenschaftlich argumentiere und ihr "finden", "glauben" oder "meinen" dagegen setzt, ist das für mich so, als würde ich Schach spielen und jemand schreit "Freistoß!"
    Mit anderen Worten: Ihr könnt das gerne tun, aber die eine Art zu reden hat mit der anderen nichts zu tun.


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    Nein, ich fühle mich nicht angegriffen. Im Schach gibt es keinen Freistoß.


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    Die Arbeit des klinisch arbeitenden Psychologen ist speziell bei der Differenzialdiagnose fürchterlich schwierig. Lass fünf Psychologen eine Verhaltensauffälligkeit diagnostizieren und du bekommst acht Meinungen. Die wissenschaftliche Physik ist über 2.000 Jahre alt. Die wissenschaftliche Medizin ist über 2.000 Jahre alt. Wissenschaftliche Chemie gibt es spätestens seit der frühen Neuzeit. Wissenschaftliche Psychologie gibt es erst seit ca. 120 Jahren. Ich kenne keinen Wissenszweig, in dem wir so wenig wirklich wissen wie in der Psychologie. Die Kluft zwischen dem, was wir wissen müssten, um wirklich helfen zu können und dem, was wir tatsächlich wissen, ist oft fürchterlich. Ich weiß, dass unsere Stümperei oft unsägliches Leid auslöst. Aber wir haben nichts besseres.


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    Kaum ein Konzept der modernen Psychologie ist in unserer Kultur so fest verankert wie das der Intelligenz. Auf kaum einem Gebiet der Psychologie ist mehr Geld und Zeit in die wissenschaftliche Forschung geflossen. Die Bevölkerung, die Unternehmen, das Militär, die Politiker drängen darauf, mehr über Intelligenz zu erfahren. Dementsprechend üppig sind hier die Budgets der Forschenden. Was ihr dazu "meint", "glaubt" oder "findet" ändert nichts an der Wirklichkeit. Und auch hier gilt: Die Instrumente, mit denen man Intelligenz "messen" kann, sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir nutzen sie nur solange, bis wir was besseres haben.


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    Psychologen beschäftigen sich in ihrem Beruf gerne mit den Themen, wo sie selber blinde Flecken haben. Der Professor, der bei uns Motivationspsychologie las, war der anerkannt langweiligste Professor, den wir hatten. Der Professor für Entwicklungspsychologie hatte zwei Kinder, die beide in der Psychiatrie waren, der Professor für Organisationspsychologie war ein Oberchaot. Und so weiter. Ich habe darüber keine statistisch gesicherten Daten, aber ich halte es für möglich, dass viele klinisch arbeitenden Psychologen mehr Therapie bräuchten als sie bekommen haben.

    Ein Psychologe definiert die Intelligenz an messbaren Fakten, was meines Erachtens die schwachsinnigste deffinition ist.
    Diese Form wird durch einen Test an einem Tag gemessen. Dass ein Mensch genau an diesem Tag eine Höchstform oder aber auch einen ganz schlechten Tag haben kann ist Glücks - bzw. Pechsache. Zudem kann der Mensch nicht innerhalb von wenigen Stunden beurteilt werden und bei meinem Sohn speziell, war das Ergebnis davon abhängig, ob mein Sohn verstanden hat, was genau man von ihm wollte.

    Verzeih, an dieser Definition haben mehrere tausend sehr kluger Menschen über Jahrzehnte gearbeitet. Dass bei so einem Einsatz ein schwachsinniges Ergebnis herauskommt, ist denkbar unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu Intelligenz ist Schwachsinn sehr genau definierbar (und in der Tat hat man sich international auf eine sehr praktikable und präzise Definition von Schwachsinn geeignet). Und danach kann ich dir ganz sicher sagen: Diese Definition ist nicht schwachsinnig.
    Wie stark das erreichte Ergebnis in einem Intelligenztest von der jeweiligen Tagesform abhängt, kann sehr genau berechnet werden. Für die meisten leistungsstarken Intelligenztest liegt diese Berechnung vor. Bei verantwortungsvoller Auswertung eines Ergebnisses eines Intelligenztests wird dieser Wert ins Kalkül gezogen.
    Das Problem, dass Menschen nicht wissen, was von ihnen eigentlich verlangt wird, wenn sie einen Intelligenztest ausfüllen, ist in der wissenschaftlichen Psychologie seit ca. 70 Jahren im Fokus. Daraufhin wurden Intelligenztests entwickelt und geeicht, die weitgehend unabhängig von Vorerfahrung und kulturellem Hintergrund funktionieren und sehr präzise Ergebnisse liefern.
    Offenbar ist ein solcher Test hier nicht zum Einsatz gekommen.

    Ich habe etwas, was ich "Musikvergiftung" nenne.
    Fast jede Note, die ich höre, kann sich in mir selbständig machen und ein nicht endendes Echo auslösen.
    Das ist dann so als hätte ich ein Radio im Kopf, das ich nicht abschalten kann und das immer die gleiche Musik spielt. Tag und Nacht. Nachts habe ich dann die zur Musik passenden Alpträume.
    So ein Echo kann viele Tage (und Nächte) dauern.
    Deshalb höre ich seit vielen Jahren fast gar keine Musik mehr.


    Und ich erlebe fast alles, wo sich NTs aufhalten als "mit Musik vergiftet" - Kaufhäuser, Supermärkte, Autos, Restaurants, Fußgängerzonen, Schwimmbäder, Büroräume, Fahrstühle und Toiletten in Tagungshotels ... wenn ihr hinhört, wird euch auffallen, dass es fast unmöglich ist, keine Musik zu hören, wenn man da ist, wo NTs sind. (Letztens habe ich in den Alpen auf über 2.000 Meter Höhe einen Vollidioten (Verzeihung) getroffen, der einen Dudelsack in die Berge geschleppt hatte, um sich da mal richtig bemerkbar zu machen). Ich bin ein Mensch, der Stille braucht, wie andere Luft zum Atmen. Da ist es manchmal schwierig für mich.


    Mein Verdacht ist, dass diese Menschen die Stille permanent zerstören, damit sie ihre innere Leere nicht so spüren müssen. Vielleicht ist das so. Vielleicht nicht.

    Seit über 100 Jahren versuchen Psychologen zu definieren, was Intelligenz ist.
    Es ist bislang nicht gelungen, weil dieses "psychologische Konstrukt" zu viele Facetten hat.
    Was ist ein "psychologisches Konstrukt"?
    Wir sprechen von einem psychologischen Konstrukt, wenn wir etwas aus unserer Innenwelt einen Namen geben, was physikalisch weder fassbar noch messbar ist.
    Beispiele: Liebe, Anhänglichkeit, Aggression, Gewalt, Fürsorglichkeit.
    All diese Begriffe lassen sich nicht zufriedenstellend allgemeingültig definieren. Daran ändern auch die zahlreichen Versuche, es zu tun, nichts.


    In Sachen Intelligenz haben sich die Psychologen international (inoffiziell) darauf geeinigt: "Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst."
    Das ist die Quintessenz tausender wissenschaftlicher Artikel zu diesem Thema. Besser kriegen wir es nicht hin.


    Ich halte es für sehr wichtig, dass der Begriff der Intelligenz nicht für Aussagen herangezogen wird, in denen Menschen gewertet werden.
    Nach allem, was wir heute wissen, ist das, was man Intelligenz nennen könnte, weitgehend angeboren bzw. wird in den ersten fünf Lebensjahren geprägt.
    Jemanden abzuwerten oder aufzuwerten für das, was er genetisch mitbekam, bzw. was in den ersten fünf Jahren seines Lebens passiert ist, scheint mir nicht angemessen zu sein.
    Wir bewerten die Menschen ja auch nicht danach, ob sie As oder NT sind. (Oder tun wir das doch?)

    ICD und DSM werden weltweit genutzt.
    Hinter der ICD steht die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
    Hinter dem DSM steht die Psychiatervereinigung der USA (APA). Deutsche Psychiater nutzen zur Zeit DSM IV und ICD 10. (Relevant für den Dialog zwischen Krankenkassen und Ärzten ist bei uns jedoch allein die ICD). Wie es in der Schweiz ist, weiß ich nicht. Wenn das DSM V veröffentlicht ist, wird bald darauf eine deutsche Übersetzung erscheinen.
    Während die WHO mit der ICD versucht, alle Krankheiten mit einem einheitlichen Diagnoseschlüssel zu versehen, beschränkt sich das DSM auf psychisch wirksame Störungen.
    Nach meiner Einschätzung ist die APA sehr gut vernetzt und macht sehr gute Lobbyarbeit. Im Studium habe ich die Umstellung von DSM III auf DSM IV verfolgt - dahinter steckte viel "Power".
    Es ist seit langem das Bestreben der APA, dass DSM und ICD deckungsgleich sind.
    Wie es letztlich für die Diagnose "Asperger-Syndrom" ausgehen wird, kann ich nicht einschätzen.

    Ich habe den Artikel gelesen und kann die meisten Argumente nachvollziehen.
    Was mich betrifft: Mir war die Lizenz zum Anders-sein, die ich mit der Diagnose AS bekam, immer enorm wichtig.
    Ich habe in meinem Leben sehr viel Kraft und Zeit damit vergeudet, zu versuchen, so zu werden, wie die anderen. Es war mir oft enorm schwer, mich auf das zu fokussieren, was in mir war.
    Herr Professor Vogeley, der im Artikel auch zu Wort kommt, leitet (als NT) das Forum für Autisten in Köln. In diesem Forum kommen einmal im Quartal AS, die als Erwachsene ihre Diagnose bekommen haben, aus ganz Deutschland zusammen, um sich zu bestimmten Themen auszutauschen. Wir haben da auch einmal besprochen, was die Diagnose verändert hat. Die meisten haben die Diagnose als Befreiung erlebt und als Möglichkeit, das eigene Leben neu auszurichten. Wenn uns (und denen, die ihre Diagnose noch nicht haben) das genommen würde, wäre das sehr schade.
    Ich 'leide' nicht unter dem Asperger-Syndrom, wie der Artikel es nahe legt, ich habe es. 'Leiden' tue ich vor allem unter dem permanenten enormen Anpassungsdruck seitens der NT, wenn ich mich in deren Welt bewege (und das nicht zu knapp!). Ich stelle immer wieder fest, dass ich NTs nicht anschaulich machen kann, wie verheerend, menschenverachtend und vernichtend es sein kann, diesem unablässigen Druck ausgesetzt zu sein, jemanden spielen zu müssen, der man gar nicht ist. Die NTs, die ich kenne, 'bestaunen' das Phänomen AS mehr als dass sie mitfühlen können. Und mit derart wenig Mitgefühl ausgestattet, lässt sich so ein Diagnoseschlüssel schnell streichen.

    Dass es so einen "Tag" gibt, ist für mich absolut bedeutungslos. Aber mich interessieren auch nicht Geburtstage, Muttertage, der Tag des Baumes ... und der "Tag der abblätternden Fassadenfarbe" - falls es ihn geben sollte - interessiert mich auch nicht.
    Letztes Jahr habe ich mich mal schlau gemacht, was es mit diesem Autistic Pride Day auf sich hat. Speziell in Amerika gibt es dazu viele Veröffentlichungen. Die meisten dieser Veröffentlichungen waren ziemlich abstoßend für mich. Überspitzt formuliert war mein Eindruck: "Ganz viele Menschen, deren Tagesbeschäftigung es ist, Recht zu haben, stürzen sich auf dieses Thema um ein neues Feld zu haben, auf dem man gründlich Recht haben kann."
    Die Gedankengänge waren für mich fast immer unausgegoren, der Ton oft enorm unsachlich und im Gesamteindruck enorm "politisch". Erstaunlich viele Nichtautisten hatten eine Menge zum Thema zu sagen. Und wo es den Argumenten an Kraft fehle, wurde gerne mit "Betroffenheit" nachgeholfen.
    Kann man so machen, keine Frage. Aber ich will damit nichts zu tun haben.
    Das bedeutet nicht, dass ich unpolitisch bin. Im Gegenteil - in einer deutschen Großstadt bin ich einige Jahre Kommunalpolitiker gewesen, heute würde man dazu vielleicht "Funktionär" dazu sagen. Aber als Politiker hatte ich immer eine klare Vorstellung vom Ziel und sah meine Aufgabe darin, Wege dahin zu entwerfen und zu verhandeln. Beim Autistic Pride Day scheinen mir Ziele und Wege sehr stark mit dem Innenleben der jeweiligen Protagonisten verknüpft zu sein (und weniger mit dem Wohl der Autisten).

    Ich habe mich im Studium einige Jahre sehr intensiv mit Hirnforschung befasst und lange erwogen, das als beruflichen Schwerpunkt zu wählen.
    Aus meiner Erfahrung sage ich:
    Das ist die Hoffnung der Wissenschaftler:
    "Mit der fMRI wird es evt. in absehbarer Zukunft möglich sein, den physischen Ort von kriminellem Geschehen bildlich darzustellen, bzw. aus bestimmten Aktivitätsmustern in gewissen Gehirnbereichen auf bestimmte Verhaltensweisen zu schliessen. Ähnliches geschieht im Bereich der Neurobiologie - sprich - der Mensch ist das Ergebnis seiner Neurochemie." ,


    aber daraus wird in absehbarer Zeit nichts.
    Spätestens seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es alle 10 bis 15 Jahre einen riesigen euphorischen Rausch in der Hirnforschung, weil man glaubte, jetzt endlich begriffen zu haben, wie das Gehirn funktioniert. Bloß um dann wenige Jahre später beschämt eingestehen zu müssen, dass die gemachten Versprechungen viel zu umfassend gewesen waren.
    Die Frage, in welchem Maße das Handeln, Denken und Empfinden des Menschen kausal determiniert oder frei sind, wird seit vielen Jahrzehnten an der Schnittstelle von Wissenschaft und Philosophie intensiv diskutiert. Ich kann bislang nicht sehen, dass in dieser Frage in den letzten 50 Jahren entscheidende Fortschritte gemacht worden sind.


    Ich habe aber mal ein Gedankenexperiment entwickelt, das ich mit zunehmender Sorge weiter verfolge. Es ist nur eine Fantasie. Wie und wann diese Fantasie konkret realisierbar sein wird, bleibt in diesem Gedankenexperiment völlig außen vor:
    Was wäre, wenn sie eines Tages einen Chip entwickeln würden, den man ins Gehirn einpflanzen kann. Einen Chip, der aus Autisten NTs macht. Würden sie uns zwingen, uns den einpflanzen zu lassen? Würden sie uns staatliche Vergünstigungen streichen, wenn wir es nicht tun? Würde es eine Art Pranger im Internet geben für alle, Autisten, die sich diesen Chip nicht einpflanzen lassen? Was würde aus uns, wenn wir den Chip im Kopf hätten? Wären wir dann noch Menschen?
    Es gibt zahlreiche gruselige Science-fiction-storys, in denen Wesen von außerhalb den Menschen irgendwas ins Gehirn pflanzen, um aus ihnen genügsame und problemlos laufende Maschinen zu machen. Was bleibt uns Autisten von unserem Wesen, von unserer Persönlichkeit, von unserer Einzigartigkeit, von unserer Menschenwürde, wenn sie uns den Autismus nehmen? Einer meiner liebsten Comiczeichner hat das mal aus einer anderen Warte gut auf den Punkt gebracht: http://www.gocomics.com/pearlsbeforeswine/2003/11/09 (Wer will, dem schreibe ich eine Übersetzung dazu).


    Wenn Autismus als Krankheit definiert wird, läuft logischerweise alles Forscherstreben auf so einen Chip hinaus. Denn eine Krankheit muss bekämpft und geheilt werden. Vor diesem Hintergrund verfolge ich sehr aufmerksam, was die Gentechniker und Hirnforscher in Sachen Autismus so an Ergebnissen zusammentragen.

    Die International Herald Tribune (internationale Ausgabe der New York Times) berichtet in Ihrer Ausgabe vom 06. April (Karfreitag) in einem kurzen Artikel über gerade erst entdeckte Zusammenhänge zwischen zwischen Genen und Autismus (inklusive Asperger). Kernaussage ist für mich: "The gene mutations are extremely rare and together account for a tiny fraction of austism cases (...) But experts said the new research gave scientists something they have not had: a clear strategy for building some understanding of the disease's biological basis." - Die Mutationen sind sehr selten und nur für einen kleinen Bruchteil der Autismusfälle verantwortlich (...) Aber Experten sagen, dass Biologen jetzt zum ersten Mal eine klare Strategie haben, um die biologische Basis dieses Leidens zu verstehen.


    Wer will kann den Text des Artikels von mir bekommen.

    Ich finde, dass die Lage ungemein komplex ist.
    Ich habe mir das Video nicht angeschaut, denn ich misstraue Filmbeiträgen als Übermittler politischer Information zutiefst. Aber in den internationalen Printmedien war einiges zu lesen. Hier in einem Überblick meine Meinung. Sie erhebt keinen Anspruch auf Gültigkeit.


    1
    Es handeln immer Personen, nicht Staaten. Und wenn es z.B. in der Presse heißt: "Die USA erwägen, in Uganda militärisch einzugreifen", so ist damit gemeint: Bestimmte Personen oder Personengruppen (in der Regierung / in der militärischen Führung / in NGOs) versuchen ihren Einfluss geltend zu machen, damit militärisch interveniert wird.


    2
    Verschiedene Personen oder Personengruppen können dasselbe taktische Ziel aus völlig unterschiedlichen Motiven anstreben. Die einen wollen Kinder retten, die anderen Zugriff auf knappe Ressourcen sichern. Und wieder andere wollen vielleicht nur, dass wieder mal was passiert.


    3
    In den USA werden die Marines mit den gleichen Methoden zu 'Killermaschinen' gemacht, mit denen in Afrika Kinder zu Kindersoldaten gemacht werden. Die Mittel unterscheiden sich, die Methoden sind dieselben. Sie sind grausam, sie sind brutal, sie entmenschlichen, damit die Kämpfer nicht durch Mitgefühl gehemmt werden. (Folterer in der ganzen Welt auch mit genau diesen Methoden ausgebildet). Die amerikanischen Elitetruppen nennen sich deshalb auch stolz 'Jarheads' - man hat ihren Kopf aufgeschraubt, die Verbindung zum Mitleid mit sich und mit anderen Kreaturen gekappt und den Kopf wieder zugeschraubt. Wenn also amerikanische Soldaten in Uganda intervenieren, kämpfen erwachsene 'Kampfmaschinen' gegen 'Kinderkampfmaschinen'.


    4
    Je länger und intensiver man einen 'Feind' bekämpft, desto ähnlicher wird man ihm - im Denken, im Empfinden, im Verhalten. Ich weiß nicht, ob denen, die aus eher humanen Motiven eine Intervention befürworten, dieser Zusammenhang klar ist: Wenn amerikanische Soldaten lange im Dschungelkampf eingesetzt werden, dann importieren sie ihn die USA, wenn sie wieder heimkommen. Sie werden äußerlich wie normale Bürger aussehen. Im Inneren werden sie Kindersoldaten sein.


    5
    In einem asymmetrisch geführten Kampf kann man keine Armee besiegen. Wenn ein Kony besiegt, gefangen oder getötet ist, wird irgendwo ein neuer erscheinen. Nicht der jeweilige Kony ist das Problem, sondern die Umstände, die Konies möglich machen. Das ist das gleiche Problem wie beim "Krieg gegen den Terror" oder beim "Krieg gegen die Drogen".


    6
    Ein einflussreicher Staatstheoretiker hat mal eine Frage gestellt, die für mich entscheidend ist: "Was unterscheidet einen Staat von einer gut organisierten Räuberbande?" (Diese Frage stelle ich auch immer, wenn es um Unternehmen geht). Solange wir diese Frage nicht schlüssig beantworten können, werden in der internationalen Politik Räuberbanden ihr Unwesen treiben. Bislang ist es der Menschheit nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen verbindlichen Wertekonsens zu einigen.
    Sehr interessant ist für mich in diesem Zusammenhang das Stufenschema der Moralentwicklung von Lawrence Kohlberg
    http://de.wikipedia.org/wiki/S…es_moralischen_Verhaltens (Die siebte Stufe ist von Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas ausgebaut worden http://de.wikipedia.org/wiki/Transzendentalpragmatik)
    Dieses Modell hat auch in der internationalen Philosophie breiten Widerhall gefunden und eignet sich gut, um zu schauen, auf welcher moralischen Ebene national und international gerade gehandelt oder argumentiert wird.