Mir fällt gerade ganz akut etwas ein, weil ich heute meine mp3-Sammlung sortiert habe: In 1983 gab es im Radio eine Sendung, die ganze drei Tage dauerte (Hit-Container). Für heutige Zeiten undenkbar, wurden die Titel lange genug vorher angekündigt und man konnte sich die Listen sogar ausgedruckt abholen oder zuschicken lassen. Und noch besser: Die Titel wurden komplett ausgespielt, was heute kein Sender mehr machen darf. Ich habe dann bis zu zehn Cassetten voll bespielt. Das war eine Riesenbereicherung, weil man ja sonst außer im Plattenladen keine Titel bekommen konnte.
Ich habe dann auch Oldies aufgenommen, weil die bei mir schon immer besonders wertvoll waren. Ein Titel war dabei, der zugegebenermaßen etwas schnulzig war. Mein Vater sah das dann bei der Beschriftung der Cassette und fragte mich: "Warum hörst du dir das an?" Wie ich heute gesehen habe, war das Stück von 1963, also damals 20 Jahre alt, das heißt, mein Vater war zu der Zeit so alt wie ich in dem Moment. So alte Sachen hören, "was soll das?". Also als damals Jugendlicher muss das extrem verpönt gewesen sein, gerade wenn es sich um Schlager handelte. Ich schämte mich irgendwie. Noch viel mehr hätte ich mich aber vor Gleichaltrigen geschämt, die das gesehen hätten. Die von meinem Vater so geliebte Musik aus den 60ern hörte ich später noch lieber als ihm lieb war, und deswegen habe ich es geheim gehört. Muss man sich denn zwangsläufig immer von seiner Elterngeneration emanzipieren um anerkannt zu werden? Ich bin mir sicher, anderen Eltern würde es zwar gefallen, wenn man nicht den brandheißesten "letzten Schrei" hören würde, aber ihre eigene Musik wollen sie anscheinend auch nicht teilen.
Heute habe ich zu meiner Familie gesagt: "Musiktitel haben für mich kein Alter" (und damit kein "Verfallsdatum"). Und ich fand es gut, dass meine Frau dann Elvis hören wollte.