SF TV Klub zum Thema "Asperger-Syndrom"

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Teresa

    Die gesunde Abhängigkeit reifer Menschen äußert sich vereinfacht gesagt in zwei Dingen:
    a) die Fähigkeit, einem anderen Menschen vertrauen zu können
    b) die Fähigkeit, sich auf einen anderen Menschen verlassen zu können

    Ich finde deinen Artikel von heute morgen sehr stark! Ich hab ihn gleich mehrmals gelesen, deine Ueberlegungen zu Hintergründen und Zusammanhängen zwischen AS-NT Partnerschaften finde ich sehr interessant und auch stimmig! Kann mich in einigen Punkten (teilweise) wiederfinden.


    grüsse


    soleil

  • @ Data:

    Die (unbewussten) Motive von menschlichen Beziehungen interessieren mich auch. Simpel ausgedrückt kann man wohl sagen, dass der Deckel immer irgendwie zum Topf passen muss. (Redewendung). Wenn man in einer Beziehung - wieso auch immer - zu sehr leidet, kommt man um diese Fragen irgendwann nicht ganz herum, denke ich.


    Wie wahr!
    Der Deckel muss zum Topf passen. So ganz grundlegend und "summa summarum" mal. Auch wenn eine Beziehung richtig verstanden eben auch immerwährende "Arbeit" (an sich selbst und an der Beziehung) ist und erfordert, so gelingt der Versuch, eine nun überhaupt nicht passende Topf-Deckel-Kombination passend zu MACHEN eben meist doch nicht. Es ist halt nicht alles kompatibel - selbst bei größter Anstrengung und beim "besten Willen" nicht.


    "Exkurs" ;) :
    Am Anfang, in der Phase der VER-liebtheit scheint das den meisten anders. Da können sie sich "alles" vorstellen und alles ist für sie mit genau diesem Menschen möglich, wunderbar, ja ideal. Das wundert einen nicht, wenn man sich klar macht, was denn denn in der Phase der Verliebtheit WIRKLICH los ist ;)
    Nur zwei Punkte in dem Zusammenhang: Psychoanalytisch betrachtet wird in der Anfangsphase der Verliebtheit ja noch überhaupt nicht der REALE Andere "gesehen" (und ist demzufolge auch nicht "gemeint"), sondern die Verliebten projizieren ihr EIGENES IDEALBILD von einem Parnter auf diesen konkreten Anderen. Und "lieben" (selbstverständlich hat das - allein deshalb schon - mit echter Liebe null zu tun) in Wahrheit dieses ihr eigenes projiziertes Idealbild - und eben nicht den realen, konkreten Menschen.
    Ein anderer Blickwinkel: In der Phase der Verliebtheit ist ja auch auf Körperebene so einiges anders (Neurotransmitter, Hormone etc.). So hat man z.B. festgestellt, dass in dieser Phase u.a. das Serotonin ("Glückshormon") erhöht ist. Ja, und das Oxytocin. Also das "Kuschelhormon", das "Bindungshormon" etc. Auch das erklärt einiges... und eben auch, warum den Verliebten ihr Gegenüber so wunderbar und so wunderbar vertraut ("als würde man sich schon ewig kennen") vorkommt und warum die Verliebten "dauernd zusammenkleben (wollen)" ;)
    Und wenn sich nun diese hormonellen u. neurobiologischen Veränderungen langsam wieder einpendeln auf "normal" (die "biologische Halbwertszeit der Verliebtheit" :D dauert meist ein paar Monate bis ca. 1/2 Jahr, allerhöchstens mal 1 Jahr), dann kommt - im wahrsten Sinne des Wortes - "die große Ernüchterung"....
    Nebenbei bemerkt: Und an diesem Punkt trennen sich die allermeisten wieder. Und fangen mit einem anderen Menschen wieder von vorn an... Dringen also allein deshalb schon nie in die Regionen vor, wo ECHTE Liebe und ECHTE Beziehung überhaupt erst beginnen könnte bzw. möglich wäre (eben ab dem Zeitpunkt, wo der REALE Andere "gesehen" wird).


    Und - zurück zum Thema NT-AS-Beziehung:
    Könnte hier (in dem erhöhten Oxytocin-Spiegel in der Phase der Verliebtheit) möglicherweise eine Ursache liegen, warum viele NT-Frauen den Beginn ihrer Beziehung mit einem AS-Partner als so wunderbar beschreiben - und das eben nicht allein nur von ihrem eigenen Erleben her, sondern auch und v.a., weil da ihr AS-Partner "so ganz anders war", als er dann später wurde (so dass diese Frauen am Anfang eben überhaupt nicht merken, dass mit diesem Mann "irgendwas anders sein soll" oder eben konkret, dass er AS-Betroffener ist)?
    Nun, es ist ja wohl so einiges im Gang in der Forschung bzgl. AS und Oxytocin. Mal sehen, vielleicht wird ja auch das mal erhellt...



    @ Teresa. Bei den möglichen "Passmustern" oder den Schnittmengen, die du aufgezählt hast, halte ich persönlich die Kombination Narzismus-Autismus für die Inkompatibelste. Die narzistische Person braucht so viel Spiegelung, Applaus und Zustimmung. - das kann man mit AS beim besten Willen nie erfüllen, was einen Narzisten manchmal zu sehr unfairen "Sanktionen" greifen lassen kann, die vom Autisten aber oft nicht durchschaut werden können.


    Da stimme ich dir zu: Narzissmus-AS scheint mir auch das inkompatibelste "Passmuster" zu sein. Und du nennst ja den wesentlichen Grund ganz klar. Zumindest bei diesem "offen"-narzisstischen Typus (der sich eben selbst idealisiert und die anderen als lediglich "Selbstobjekte" benutzt im Sinne von "applaudierendes Publikum" und "narzisstische Futterquelle").
    Nun gibt es aber noch Narzissten (aus so mancherlei nachvollziehbaren Gründen eher die Frauen mit Narzissmus), die quasi komplementär-narzisstisch (ist kein offizieller Fachbegriff, drückt aber meiner Meinung nach die Sache gut aus) sind und leben. Die idealisieren sich nicht selbst, sondern "holen sich ihr Futter durch die Hintertür", indem sie ihren Partner idealisieren und sich mit ihm, seinen Sichtweisen, Wünschen, Gefühlen, Bedürfnissen etc. völlig identifizieren (was im Wesen und in der Folge psychologisch "Unterwerfung" bedeutet). Das Futter-holen-durch die Hintertür läuft dann so: Mein Mann, der überragende, supertolle Dr. Sowieso... und ICH bin die Frau von diesem tollen Typen. Ergo: Ich muss auch sehr toll sein... So ungefähr läuft das. Wenn auch in aller Regel völlig un-bewusst natürlich...


    Und in einer Beziehung mit einem AS-Partner "reagieren" diese Frauen eben oft dann so (wie auch natürlich in einer Beziehung mit einem NT-Mann), dass sie (ihren Partner idealisieren sie ja) SICH SELBER an ALLEM die Schuld geben, ihr Selbstwertgefühl in den Keller sinkt usw. Und das sind dann häufig die Frauen, die so ganz extrem, ja "maß-los" leiden (und wirklich so leiden!) in einer Beziehung mit einem AS-Partner.
    (Selbstverständlich nicht immer! Auch eine z.B. traumatisierte NT-Partnerin - siehe mein Beitrag gestern - kann da mitunter "Extremes" erleben, leiden; aber die Hintergründe und Zusammenhänge sind vollkommen andere)
    Und die auch - so sehr sie auch leiden - am wenigsten fähig sind, sich dann eben zu trennen. Das kann man psychoanalytisch so erklären: Für den komplementär-narzisstischen Menschen ist der idealisierte Partner ja nicht einfach "nur" Partner/ Du/ Gegenüber, sondern "Selbst-Ersatz" (Ersatz für das eigene, kaum entwickelte Selbst). Und allein deshalb schon fällt die Trennung so schwer. Sie müssten sich ja quasi nicht nur von einem anderen Menschen trennen, sondern die Trennung bedeutet sozusagen auch "SELBST-Verlust".
    Randbemerkung: Trifft so eine komplementär-narzisstische Frau auf einen offen narzisstischen Mann, kann das Ganze eine Zeitlang wunderbar laufen. Jeder kriegt ja, was er braucht :D Der eine braucht das Idealisiert-Werden, der andere das Idealisieren des Gegenüber. Und die Paare halten dann natürlich diese Konstellation ("narzisstische Kollusion") für Liebe...
    Wen das Thema näher interessiert: Ist gut dargelegt im Buch: "Weiblicher Narzissmus" von Bärbel Wardetzki


    Neben der Konstellation Narzissmus-Autismus halte ich auch noch die Kombination Histrionische PS (früher Hysterie)-Autismus für ziemlich un-möglich.
    Nur einen Punkt dazu. So wie der Narzisst ständig Futter braucht im Sinne von Spiegelung, Applaus, Lob, Bewunderung, Bestätigung usw., so braucht der Hysteriker jede Menge Aufmerksamkeit (auch häufig in der Variante: ständig im Mittelpunkt stehen müssen). Und das ständig zu "liefern", dürfte einem AS-Partner auch nicht gerade leicht fallen ;) Und ein Hysteriker, der sein Futter (Aufmerksamkeit) nicht bekommt, kann zu einem höchst unangenehmen Zeitgenossen mutieren :D , was wiederum für den AS-Partner (...und nicht nur für den...) schwer auszuhalten sein dürfte...



    (...war zu lang mein Beitrag sagt das System... kein Wunder :D ... also gleich die Fortsetzung "separat")

    Worauf es ankommt, das sind nie die Bedingungen, die man vorfindet, sondern das ist stets das Lebenswerk, das man daraus gemacht hat. (Elisabeth Lukas)

  • Fortsetzung:


    PS:
    (sorry... da ist leider jetzt mit dem Rumkopieren irgendwas schief gegangen mit dem Zeilenumbruch; weiß aber leider nicht, wie ich
    das ändern könnte)


    Data:


    Zitat

    Auch NT Partner eines narzistischen Menschen leiden häufig sehr - nur ist der Grund dafür oft sehr schwer zu durchschauen, oder man will es einfach nicht wahrhaben, dass der Partner sich wirklich nur für sich selber interessiert und sucht dauernd nach Entschuldigungen für seine emotionale "Kälte". Man sollte die allfällige emotionale Nüchternheit von Autisten nie verwechseln mit emotionaler Kälte oder mit Gleichgültigkeit.


    Nun ist mein Geschreibsel zu diesem Punkt sooooo lang geworden, dass ich es hier rausgenommen hab und hernach dann dahin verschiebe, wo es ohnehin besser passt: In den Thread "Egozentrismus":
    http://www.asperger-forum.ch/board5-%C3%B6ffentlich/board32-umgang-in-der-%C3%B6ffentlichkeit/551-egozentrismus/#post5235



    Zitat

    Ich wage zu behaupten, dass es mehr unglückliche Beziehungen mit Narzisten als Partner gibt, als mit Autisten als Partner. Aber Narzisten verfügen über viel die besseren Tarnmöglichkeiten und erhalten ja auch kaum je eine Diagnose. Sie bekommen in der Regel was sie wollen, oder was sie brauchen, und fast niemand wagt es sie zu kritisieren.


    Ja, das (mehr unglückliche Beziehungen mit Narzissten als mit Autisten) seh ich auch so. Schlicht schon deshalb, weil es zahlenmäßig mehr
    Narzissten als Autisten gibt. Und weil (ganz offensichtlich....) so manche Frauen eine seltsame Affinität zu Narzissten haben... :D
    (Gut. Das war jetzt natürlich nur von der Seite her: weiblicher NT-Partner und Narzisst oder eben AS. Die Konstellation männlicher NT plus
    weiblicher AS-Partner oder eben Narzisstin würde eine eigene Betrachtung erfordern.)


    Auch bzgl. der Häufigkeit einer Diagnose stimme ich dir zu. Ist ein "weites Feld", klar... Aber auf den Punkt gebracht ist es ja nun tatsächlich so, dass Narzissten schon deshalb selten eine Diagnose bekommen, weil sie schlicht zu keinem Therapeuten gehen. Sie fühlen sich ja nicht "krank", sie haben ja (aus ihrer Sicht) keine "Symptome" oder "Defizite" etc. Wie bringt es eine befreundete Analytikerin immer so schön auf den Punkt:
    "Narzissten haben keine Fehler und machen keine Fehler. Sie werden auch nicht schuldig. Und geht mal was schief, liegts an den Anderen."
    Oder "bestenfalls" noch an den Umständen etc. Und Miss-erfolge haben Narzissten natürlich auch nicht (aus ihrer eigenen Sicht wiederum - ergänz ich jetzt für den Fall, dass ein Leser die Ironie in dem ganzen Abschnitt hier nicht sehen/verstehen kann). Die werden von ihnen schlicht UM-interpretiert in z.B. (Teil-)Siege. Und Unerreichbares gibt es für sie auch nicht. SIE können einfach alles. Denn was sie nicht haben, nicht können, was "zu hoch ist" für sie usw., das wird schlicht entwertet. Siehe "Der Fuchs und die Trauben": Die Trauben sind mir viel zu sauer - sagt genau DER Fuchs, der es in Wahrheit gar nicht wissen kann, weil er die Trauben nicht erreicht hat, weil sie eben zu hoch hingen für ihn...
    Ja, und einen "Leidensdruck" (der gemeinhin als eine der Therapievoraussetzungen gilt) haben sie auch nicht, DEN haben die ANDEREN (das jeweilige Gegenüber wie z.B. die Kollegen, Freunde, Partner etc.)....



    Zitat

    Auch aus diesem Grund ist es nicht fair allfällige Beziehungsprobleme öffentlich am Autismus aufhängen. Dazu kommt, dass es für uns oft schon viel schwieriger ist eine passende Beziehung zu finden. Auch hier hat man als NT-Partner eine gewisse öffentliche Verantwrotung gegenüber allen Autisten, die sich vielleicht eine Beziehung wünschen.

    Zustimmung!!



    Zitat

    Minderheiten, ob neurologischer, kultureller oder religiöser Art pauschal zu defizitorientiert darzustellen ist, wie uns die Geschichte immer wieder gezeigt hat, und immer noch zeigt, manchmal auch gefährlich wenn Niemand widerspricht.

    Zustimmung!!

    Worauf es ankommt, das sind nie die Bedingungen, die man vorfindet, sondern das ist stets das Lebenswerk, das man daraus gemacht hat. (Elisabeth Lukas)

    2 Mal editiert, zuletzt von Teresa ()

  • soleil:


    Hallo soleil,


    deine Rückmeldung zu meinem gestrigen Beitrag freut mich sehr! Danke!


    Bin ja nun Neuling hier und doch noch recht unsicher, wie meine "Ergüsse" rüberkommen, ob ich für die Leser "an der Sache vorbei rede" oder sonstwie "daneben" oder "un-brauchbar" oder was auch immer schreibe (inhaltlich oder in der Art, wie ich schreibe). Und so ist es mir schon eine Hilfe, wenn ich "sehe", dass da doch der/die eine oder andere wirklich was anfangen kann damit.
    Ja, und v.a. freut es mich natürlich für die betreffenden Leser - wie eben jetzt für dich! :)


    Herzlichen Gruß
    Teresa

    Worauf es ankommt, das sind nie die Bedingungen, die man vorfindet, sondern das ist stets das Lebenswerk, das man daraus gemacht hat. (Elisabeth Lukas)

  • Data:


    ...schön und treffend beschrieben!


    Will nur noch kurz was zum "Schweregrad" sagen: Vereinfacht gesagt sind 3 Varianten zu unterscheiden:


    1. Die histrionische Persönlichkeit: verstanden im Sinne eines bestimmten "Charaktertypus" (wie z.B. gut dargelegt in Riemann: Grundformen der Angst)


    2. Die Histrionische Persönlichkeitsstörung: quasi die ausgeprägte Variante der hysterischen Persönlichkeit. Psychoanalytisch betrachtet ist die Histrionische Persönlichkeitsstörung "angesiedelt" auf dem sog. "Höheren Strukturniveau". Die ich-strukturelle Reifung "ganz allgemein" ist da also schon sehr weit und der Hintergrund der Störung und Symptomatik daher "nur" eine sog. "Konflikt-Pathologie".
    (Im Unterschied zu den Persönlichkeitsstörungen auf dem sog. "Niederen Strukturniveau" wie z.B. Schizoide PS, Borderline PS, die schwere Form der Narzisstischen PS - die "übliche" Narzisstische PS ist auf "Mittlerem Strukturniveau" - mitunter auch bezeichnet als Narzisstische Borderline PS etc. Die Hauptschwierigkeiten dieser Menschen haben ihre Ursache in den teils schweren Reifungsdefiziten, in Ich-Struktur-Störungen, die alle Ich-Funktionen betreffen können)


    3. Die (mitunter so genannte) hysteriforme Borderline-Persönlichkeit (Synonyme: Infantile Persönlichkeit, Maligne Hysterie): "angesiedelt" auf "Niederem Strukturniveau". Inzwischen wird diese Störung (wie so manch andere auch... siehe z.B. der unübersehbar enge Zusammenhang zwischen Borderline PS und Trauma) nicht mehr zurückgeführt auf Entwicklungsstörungen (und aus diesem Grund das "Stehenbleiben" auf Niederem Reifungslevel), sondern auf Traumatisierungen (und wird daher betrachtet als/ eingereiht in "Posttraumatische Persönlichkeitsstörungen").

    Worauf es ankommt, das sind nie die Bedingungen, die man vorfindet, sondern das ist stets das Lebenswerk, das man daraus gemacht hat. (Elisabeth Lukas)

  • Die Frau ist Susan Conza. Inhaberin der Asperger-Informatik. Sie ist eine geniale Person. Ich kenne sie persönlich und mag sie sehr. Schade war nur, dass sie nicht mehr sagen durfte. Die Droz, die hat immer nur von ihrem Mann erzählt. Susan hätte da mehr sagen können. Besonders, da sie einen Sohn hat, der kein AS hat. Sie hat uns nur einen kleinen einblick gewährt. Röbi Koller war die Katastrophe. Der konnte die Runde nicht leiten.

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