Umgang mit Tod nahestehender Personen

  • In dem Buch Autismus-Spektrum-Störungen im kirchlichen Umfeld, auf das ich in einem anderen Thread hingewiesen habe, heisst es auf S. 148:
    Personen mit AS [i.e. Asperger-Syndrom] zeigen ihre Trauer im Gegensatz zu nicht-autistischen Menschen nicht zwangsläufig nach aussen. Sie wirken eher kühl, rational und übermässig gefasst bis desinteressiert. Ist das autistische Familienmitglied ein Kind, kann es sein, dass es unbekümmert durchs Haus rennt und scheinbar gar nicht erfasst zu haben scheint, dass es einen Todesfall im nahen Umfeld gegeben hat. Ebenso kann es vorkommen, dass die autistische Person eine paradoxe Trauerreaktion zeigt und mit Wut reagiert. Erwachsene Menschen mit AS werden sich eher am kommenden Procedere interessiert zeigen, viele Formalitäten abfragen und unter Umständen übermässig beschäftigt wirken. Das darf nicht zum Anlass genommen werden, der Person Gefühlskälte oder mangelnde Zuneigung zu unterstellen.


    Meine persönlich Erfahrung mit dem Thema Tod/Trauer bei nahestehenden Personen zeigt sich dahingehen beipielhaft anhand des Todes meines Vaters 1981, als ich 9 Jahre alt war. Mein Vater war für mich die engerere Bezugsperson als meine Mutter.
    Ich habe ein paar Minuten geweint und wirkte dann nach aussen recht teilnahmslos. Am nächsten Tag wollte ich, wie wenn nichts passiert wäre, in die Schule gehen. Meine Mutter musste mich sogar erschrocken davon abhalten, dass ich als Ministrant bei der Beerdigung meines Vaters teilnehme. Die nächsten ca. zwei Jahre habe ich dann in meinem Schulfüller Patronen mit schwarzer Tinte gehabt und so alles in Schulheften, Klassenarbeiten mit Tiefschwarz und nicht mit 'Königsblau' geschrieben. Das wurde weder von meiner Mutter noch von den Lehrern mir gegenüber kommentiert aber akzeptiert (wahrscheinlich, weil es keine Schulvorschrift gab, die den Gebrauch schwarzer Tinte untersagt hat). Es konnte aber wohl auch von niemandem in den entsprechenden Zusammenhang gestellt werden. Am allerwenigsten von jenem Psychofritzen bei dem meine Mutter mit mir damals war und der irgendetwas von ich hätte Gehirnrheuma faselnd aufgegeben hat.

  • Das richtige Auftreten und das Unvermögen dahingehend eines Aspergers bei Todesfällen im Angehörigenkreis kenne ich nur zu gut....
    Entsprechendes Verhalten bei Mädchen oder Frauen wird grundsätzlich nur als extremst negativ eingestuft :cursing: ....ich versuche halt immer die nötigen schauspielerisch eingedrillten Verhaltensweisen zu immitieren....ich habe höllische Angst vor Trauerfeiern aller art....die nächste die "geht" ist rein statistisch gesehen meine Mutter und ich die einzige nächste Angehörige..... ;(


    Vielleicht geschieht ein Wunder und eine höhere Macht hat Einsehen mit mir und verschafft mir einen unvorhergesehenen und wichtigen Spitalsaufenthalt während das nötige Prozedere andere durchführen müssen....ich würde auch gern körperliche Schmerzen oder eine Operation in Kauf nehmen um dem zu entgehen...


    Trauern tut man innerlich mit der Seele, die uns Aspegern aber meist aberkannt wird. Nicht mit Geheule und Gejammere und aufgesetzten Gesichtszügen und was halt noch dazu gehört....


    Über Umgang mit Beerdigungen und Trauer gibt es aber hier auch andere Threads, schau dich mal da um ISBD.

  • Einer meiner Lieblingsorte in der Kindheit war der Friedhof. Besonders im Frühling wenn die Natur erwacht. Dazu dieses unglaubliche Gefühl der Geborgenheit.


    Es mag für viele Skuril wirken, doch die Seelen der Verstorbenen haben mich getröstet und umarmt. Ich konnte nie verstehen, wieso lautes, freudvolles Kinderlachen auf Friedhöfen und Beerdigungen verpönt ist. Für mich ist der Tod gleichbedeutend mit Wiedergeburt - ein Fest der Freude. Tränen an einer Beerdigung sind für mich nur ein Ausdruck eines temporären Abschieds und zwar dann wenn sich die Seele an der Trauerfeier von allen Anwesenden verabschiedet und aufsteigt. Wieso soll ich trauern? Wieso Mitleid empfinden? Der menschliche Körper ist für mich nur eine geliehene Hülle, die ich nach dem Tod abstreife, um wieder meine wahre Gestalt annehmen zu dürfen. Diese Gewissheit und das Sehen der Toten hat mich seit Kindheit an begleitet. Auch wenn ich lange Zeit versucht habe diese Gabe zu verdrängen. Ich weiss nicht ob andere Aspies ähnliche Erfahrungen kennen, für mich ist es jedoch eine Erklärung für mein untypisches Verhalten bei Todesfällen.

  • Einer meiner Lieblingsorte in der Kindheit war der Friedhof. Besonders im Frühling wenn die Natur erwacht. Dazu dieses unglaubliche Gefühl der Geborgenheit.


    Absolut! Vielleicht aus einem anderen Grund als du aber der Friedhof ist, wie mir schon der Name sagt ein Ort des absoluten FRIEDENS! Im Tod sind alle gleich! Egal welch ein Grabstein oder eine noch so teure protzige Gruft da steht.....


    Was mich auch wirklich irritiert ist der brauch bei uns, dass man auf einem Friedhof leise sein muss.....Es stört die Totenruhe!!! Na, komisch, es hat sich noch nie ein Toter über irgendwas beschwert....
    Frieden bedeutet nicht still für mich, sondern friedlich, kein Streit, kein Krieg, kein Hass, kein Neid.....den tragen nur die Lebenden auf den Friedhof....


    Und es ist traurig mit an zu sehen, wie auf den Friedhöfen der Städte Grabgestecke gestohlen werden, die Blumen ausgegraben werden um sich den Kauf von eigenen zu sparen....


    Von den Kupferdieben aus dem Osten die die Laternen abmontieren will ich ja gar nicht reden....


    Als ich noch in Wien lebte ging ich gern am größten Wiener Friedhof spazieren, vor allem am alten große jüdischen Friedhof als er noch nicht hergerichtet war und ganz verwachsen, weil die Nachkommen derer ja von den Nazis "entsorgt" ;( wurden.
    Es war wie im Paradies.....oft gedachte ich dann jener fremden Menschen die da lagen und deren Nachkommen oft grausam ums Leben kamen oder irgendwo ins ferne Ausland fliehen konnten und war dankbar diese zeit nicht erlebt haben zu müssen.


    Hier ein Bild als alles noch verwachsen war.

  • Ich selbst habe eigentlich nur zwei verstorbene Angehörige mit denen ich innig verbunden war und auch innerlich immer noch bin.
    Meine Oma und meinen Onkel.
    Da die Grabstätte, die auch nach dem Tode meines Onkels in mein Nutzungsrecht überging in Wien liegt, die dortige Bürokratie in Sachen grabpflege-und Erhaltung einer überteuerten Zwangsdiktatur gleichen bis heute, habe ich mich entschlossen das Grab aufzulösen und den Grabstein, der ja mit gehört in meinen Garten umzusiedeln. Außerdem ist das grab ja 115km von mir entfernt. Die Kosten dafür überstiegen den Wert des billigen Steines bei weitem. Aber nun habe ich den Stein in meinem Garten, kann das drumherum gestalten wie ich will und jederzeit ein Kerzerl anzünden und brauche keine Angst zu haben, dass die Kupferlaterne früher oder später den Dieben zum Opfer fallen wird.


    So gehe ich viele Jahre nach dem Todesfall noch mit dem Tod derer um die ich geliebt habe.


    Hier am Foto das Grab noch am Friedhof mit meiner eigenwilligen und naturnahen Bepflanzung.

  • Zitat

    Was mich auch wirklich irritiert ist der brauch bei uns, dass man auf einem Friedhof leise sein muss.....Es stört die Totenruhe!!! Na, komisch, es hat sich noch nie ein Toter über irgendwas beschwert.... Frieden bedeutet nicht still für mich, sondern friedlich, kein Streit, kein Krieg, kein Hass, kein Neid.....den tragen nur die Lebenden auf den Friedhof....

    Das ist auch bei uns in der Schweiz Brauch. Ich kann dich verstehen. Die selben Worte musste ich mir regelmässig anhören. Nicht zu vergessen, dass man auf einem Friedhof artig sein soll. Dazu noch dieses andachtsvolle Gehen (was ich als Aspie noch nicht mal interpretieren kann) mit möglichst wenig Blickkontakt auf fremden Gräber. Die Ruhe zusammen mit dem Vogelgezwitscher geniesse ich auch sehr.


    Ich finde es eine sehr schöne Geste den Grabstein an einen schönen Ort hin zu versetzen.

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