Kleines Märchen zum Thema Oberflächlichkeit

  • Ein Märchen zum Thema Oberflächlichkeit


    In einem kleinen Ort steht ein älteres Haus.
    Die Farbe ist verblichen und der Putz bröckelt schon arg. Die Leute tuscheln schon darüber.
    Es gilt als Schandfleck im Ort.


    Doch eines Tages raufen sich Bürger und Eigentümer zusammen. Und siehe da: Innerhalb kurzer Zeit
    erstrahlt das alte Gebäude in einem schönen frischen und hellen Farbton.


    Nach dieser Therapie ist es nun eine Zierde des Ortes. Man spricht positiv darüber. Manche
    unterhalten sich sogar äußerst tiefsinnig über die Symbolik der wunderhübschen Farbe. Und die
    Bewohner sind endlich nicht mehr dem Spott der Nachbarn ausgesetzt.


    Nach einer gewissen Zeit aber entdecken sie, dass sich Pilzbefall im Gemäuer breit macht.
    Alle wundern sich. Wie kann das sein, in einem Haus, das wie neu erstrahlt?


    Daraufhin war bald überall ein Wundern und Kopfschütteln. Nicht lange und es wurde tiefgründig über die
    Lebensgewohnheiten der Bewohner diskutiert. Denen sein halt nicht zu helfen.


    Aber auf die wahre Ursache kam niemand:
    Da der Putz nicht repariert, sondern nur übertüncht wurde, haben die Mauern Feuchtigkeit gezogen.


    Und die Moral der Geschicht':
    Tiefsinniges Gerede schützt vor Oberflächlichkeit nicht.

    Mein natürlicher Zustand ist verträumte Abwesenheit. Seit 45 Jahren lebe ich gegen meine Natur.

  • Meines Wissens ist es kein Allgemeinwissen, inwieweit ein schadhafter Putz sich auf das darunter liegende Mauerwerk auswirkt.
    Aber selbst wenn sie es zumindest vermuteten, so hatten die Eigentümer kaum Möglichkeiten, entsprechend zu reagieren. Hätten sie das Geld bzw. die Fähigkeit besessen, wäre das Haus in einem besseren Zustand gewesen.
    Die Eigentümer wurden durch den Spott der Mitmenschen mürbe gemacht und dann durch das Angagement der Nachbarn schlicht überrumpelt.
    Als die neue Farbe drauf war, hörte der Spott auf. Damit ging es den Bewohnern besser.
    Gleichzeitig sah das Haus äußerlich hübsch aus. Also waren auch die Nachbarn zufrieden.


    Wer macht sich in unserer Welt schon Gedanken über Auswirkungen, wenn doch scheinbar alle zufrieden sind?

    Mein natürlicher Zustand ist verträumte Abwesenheit. Seit 45 Jahren lebe ich gegen meine Natur.

    Einmal editiert, zuletzt von Nic ()

  • Das kleine Märchen enthält mit dem Wort Therapie noch eine weitere Anspielung:
    Das alte Haus hat eine schöne neue Farbe und alle sind zufrieden. (Mögliche Auswirkungen sind dabei für alle uninteressant.)


    Parallel dazu stelle ich folgenden Satz:
    Das autistische Kind hat seine Therapie bekommen, funktioniert nun äußerlich und alle sind zufrieden. (...s.o.)

    Mein natürlicher Zustand ist verträumte Abwesenheit. Seit 45 Jahren lebe ich gegen meine Natur.

    Einmal editiert, zuletzt von friedel ()

  • Vorschlag: Was kann hinter der Oberfläche eines so kurzen und einfachen Märchens alles stecken?

    Mein natürlicher Zustand ist verträumte Abwesenheit. Seit 45 Jahren lebe ich gegen meine Natur.

    3 Mal editiert, zuletzt von Nic ()

    • Offizieller Beitrag

    Ich als NT verstehe sehr gut, was mit dieser Geschichte gemeint ist bzw. gesagt werden will - äussere mich jedoch nicht dazu.


    Ich finde sie jedoch eine sehr gute Geschichte, die ein grosser schwarzer Fleck in unserer Gesellschaft anspricht. :thumbsup2:
    Mache aber darauf aufmerksam, dass ein Aspi, der mittel bis schwer betroffen ist, diese Geschichte nicht verstehen kann.
    Siehe Zitat:

    Zitat

    Für mich ist hier nur noch ein Durcheinander. Zuerst ging es um ein Haus u.
    dann um eine Therapie eines autistischen Kindes. Solche Gedankensprünge
    sind für mich nicht verständlich. Worum geht es jetzt in diesem Thread?


    Zitat

    Ich lese Texte so,
    wie sie geschrieben sind.

  • In meinem Beitrag zum Thema "Was habt ihr für ein Spezialinteresse" habe ich schon mal erwähnt, dass mich interessiert, wie die Dinge zusammenhängen.
    Vor einigen Jahren hätte mir solch eine Geschichte auch noch wenig mehr ausgesagt, als dass es eine nette Geschichte ist. Oh war das für mich ein Graus, wenn im Unterricht Gedichte durchgenommen wurden und dabei (auf Wortebene) bis ins letzte Detail zerpflückt.


    Umso mehr freue ich mich, dass ich mir inzwischen sogar die Fähigkeit erarbeitet habe, so eine Geschichte selbst zu erfinden. (Und das in nur dreißig Jahren. :D )
    Das ist mir auch deshalb so wichtig, weil ich meine, erkannt zu haben, dass die Menschen um so mehr zum Nachdenken angeregt werden, je weniger offensichtlich die Aussage ist, die sie aus einer Geschichte aufnehmen.
    Im Grunde hat mich sogar Nic auf die Idee gebracht, sie zu schreiben. Stichwort subjektive Reaktionen. Danke Nic!



    Sunny, dein Einwand ist berechtigt.
    Danke.


    Vielleicht kann man es so machen: Wer es vermag, kann seine Meinung zum Inhalt der Geschichte äußern.
    Und wer sich dazu nicht in der Lage sieht, kann doch zur eigenen Unterhaltung und mit Erstaunen die Beiträge der anderen lesen, was es denn nicht so alles gibt. (So toll erlernte Fähigkeiten auch sind, möglicherweise bin ich immer mal wieder bei Letzteren dabei.)


    So könnten alle, die es wollen, daran teilhaben.
    Und wer dafür offen ist, könnte vielleicht dabei ein Bisschen lernen, was andere so an Textinhalt hinter welchen der Zeilen erkennen können.



    Das Problem mit dem AS ist doch auch, dass man die Dinge eben nicht intuitiv oder instinktiv erfasst. Sondern dass sie erklärt werden müssen oder genügend Vergleichsmöglichkeiten gegeben werden müssen, um sie auf logischer Basis selbst zu erkunden.


    Ich denke, dass man das Problem nicht dadurch löst, indem man Menschen mit AS grundsätzlich vor allem erst mal Unerklärlichen abschirmt.
    Hier wäre die Möglichkeit, dass Punkt für Punkt die Antwort eines NT (oder geübten AS) mit der dazugehörigen Textstelle verglichen werden kann, ohne sich gleich selbst in einer anstrengenden Diskussion wiederzufinden.


    Deshalb wäre auch die Bitte an eventuelle Teilnehmer zu versuchen, Antworten nachvollziebar zu gestalten.


    Sunny, du hast das bessere Gefühl dafür. Wäre es so nach deiner Meinung annehmbar?

    Mein natürlicher Zustand ist verträumte Abwesenheit. Seit 45 Jahren lebe ich gegen meine Natur.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo friedel,


    Zitat

    Vor einigen Jahren hätte mir solch eine Geschichte auch noch wenig mehr ausgesagt, als dass es eine nette Geschichte ist. Oh war das für mich ein Graus, wenn im Unterricht Gedichte durchgenommen wurden und dabei (auf Wortebene) bis ins letzte Detail zerpflückt.


    :hm2: woher kenn ich das nur.... :lol:
    Das hat jedoch mehr mit Reife als mit AS zu tun! Wenn man älter wird, hat man viele Erfahrungen schon machen dürfen und man beginnt Aussagen zu reflektieren.


    Zitat

    Das ist mir auch deshalb so wichtig, weil ich meine, erkannt zu haben, dass die Menschen um so mehr zum Nachdenken angeregt werden, je weniger offensichtlich die Aussage ist, die sie aus einer Geschichte aufnehmen.


    Das hat schon was Wahres....


    Ich finde Deinen Vorschlag wunderbar! Sie lässt allen ihre Freiheit!

    Zitat

    Ich denke, dass man das Problem nicht dadurch löst, indem man Menschen mit AS grundsätzlich vor allem erst mal Unerklärlichen abschirmt.
    Hier wäre die Möglichkeit, dass Punkt für Punkt die Antwort eines NT (oder geübten AS) mit der dazugehörigen Textstelle verglichen werden kann, ohne sich gleich selbst in einer anstrengenden Diskussion wiederzufinden.


    Vor allem der erste Satz hat mich nachdenklich gemacht....denn wenn man das tut, nimmt man jedem Aspie die Chance, etwas zu lernen! DANKE, so habe ich das nicht gesehen.

  • In diesem Märchen zum Thema Oberflächlichkeit wird einiges Wichtiges angesprochen, was sich auf das Zusammenleben von Menschen bezieht. Zum Beispiel, man soll nicht nur auf das Äussere achten sondern auch auf das, was man nicht auf den ersten Blick sieht, es gibt also noch Wichtigeres hinter der Fassade.


    Dann wird den Leuten die im Haus wohnen unterstellt, sie selber seien der Grund für die Probleme die es mit dem Haus gibt, quasi weil sie von Grund auf schlecht oder dumm oder sonstwas sind.


    Dann wird die ganze Gesellschaft, also die Menschengesellschaft, als Einheit und als oberflächlich und unweise dargestellt, was mich persönlich irritiert, weil ich nicht genau weiss was mit Gesellschaft gemeint ist. Die Gesellschaft an sich gibt es ja nicht, es gibt die einzelnen Menschen und die sind nicht alle oberflächlich und dumm.

  • Und die
    Bewohner sind endlich nicht mehr dem Spott der Nachbarn ausgesetzt.


    Dann wird den Leuten die im Haus wohnen unterstellt, sie selber seien der Grund für die Probleme die es mit dem Haus gibt, quasi weil sie von Grund auf schlecht oder dumm oder sonstwas sind.


    Es ist ein recht alter Glaube, dass das Innere eines Menschen auf sein Äußeres beziehungsweise auf seine Umgebung abfärbt.
    Soweit ich weiß, wird dabei nicht zwischen ungenutzten Möglichkeiten (z.B. wegen Unbequemlichkeit von Arbeit) und fehlenden Möglichkeiten (z.B. Krankheit, Geldmangel) unterschieden.
    Da so kleine Ungenauigkeiten von vielen gerne übersehen werden, wird uns dieser Glaube wahrscheinlich überleben.

    Mein natürlicher Zustand ist verträumte Abwesenheit. Seit 45 Jahren lebe ich gegen meine Natur.

  • Dann wird die ganze Gesellschaft, also die Menschengesellschaft, als Einheit und als oberflächlich und unweise dargestellt, was mich persönlich irritiert, weil ich nicht genau weiss was mit Gesellschaft gemeint ist. Die Gesellschaft an sich gibt es ja nicht, es gibt die einzelnen Menschen und die sind nicht alle oberflächlich und dumm.



    Da konnte ich erst mal nicht folgen. Wo hatte sich in der Geschichte nur die Gesellschaft versteckt?


    Aber klar doch: Nachbarn und Ortseinwohner als Spiegelbild der Gesellschaft


    Anna und ihr anderen, macht bitte weiter so.
    Und ich staune mit.



    Gesellschaft ist ein diffuser Begriff.
    Ist das mit Gesellschaft nicht so ähnlich wie im Blumenbeet? Alles wächst auf demselben Stückchen Boden unabhängig von der Blütenfarbe?


    Und Vergesellschaften heißt ja eigenlich nur so etwas wie zum Beispiel zwei Pflanzen Nebeneinandersetzen.
    Das heißt, Gesellschaft ist nicht Gemeinschaft. Gemeinschaft hat eine gemeinsame Zielsetzung, einen höheren Zweck oder so etwas.

    Mein natürlicher Zustand ist verträumte Abwesenheit. Seit 45 Jahren lebe ich gegen meine Natur.

    Einmal editiert, zuletzt von friedel ()

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